Im Jahr 2012 bin ich angefragt worden, ob ich nicht Lust hätte, in die Jury der „Stiftung Frauenkunstpreis“ gewählt zu werden. Diese private kleine Berner Institution vergibt seit 2001 jedes Jahr einen ansehnlichen Förderpreis. Bewerben können sich malende, bidlhauernde oder performende Künstlerinnen aus der Region Bern (inzwischen erweitert auf das Gebiet zwischen den Kantonen SO, VS und VD); ein Angebot, das reichlich genutzt wird. Dieses Jahr versuchten nicht weniger als 34 Frauen ihr Glück.
Am 20. Oktober war es wieder soweit. In der Galerie Beatrice Brunner im Nydeggstalden fand die feierliche Preisübergabe statt, dabei hatte ich die Ehre und die Pflicht, eine Laudatio auf die diesjährige Preisträgerin, Maia Gusberti, zu halten. Das tat ich gerne, und es hörte sich folgendermassen an:
Die Preisträgerin
Maia Gusberti setzt sich in ihrer künstlerischen Arbeit mit inneren und äusseren, zerrissenen und entstehenden Welten auseinander: Ihr Blick – sowohl aus umfassender Vogelperspektive wie auch auf einzelne Bestandteile eines grösseren Ganzen – ermöglicht neue und intime Sichten auf grosse Themen wie Krieg, kulturelle Grenzen und sozio-politische Landschaften. Ihre Werke fokussieren sich vor allem auf städtische und kartografische Szenerien, die sie aus gezielt fragmentiertem Material zusammensetzt.
Aus dieser „bewussten Zerstückelung“ gestaltet die Künstlerin städtische Fiktionen, die Raum bilden, um über aktuelle Tragödien und Neuanfänge nachzudenken. Durch das sorgfältig recherchierte Bildmaterial und die Verwebung verschiedener Medien – wie zum Beispiel von Film und Buch, wie wir im heute vorgestellten Werk sehen werden – gelingt es Maia Gusberti, schwierige politische Kontexte anzusprechen und bildnerisch verarbeitet darzustellen.
Ihre momentanen Arbeiten beinhalten die weitreichenden Ereignisse im mittleren Osten, zeigen deren ideelle und kulturelle Verbindungen zu Europa, und bilden gleichzeitig einen Ausgangspunkt für persönliche Gedankenarbeit. In ihrem aktuellen Projekt „Entangeld Archives“ thematisiert sie die Beziehungen zwischen Fakten und Möglichkeiten, zwischen Hier, Dort und Irgendwo, zwischen Zerstörung und Wiederaufbau. Dies öffnet dem Betrachter einen Weg des Diskurses, um über persönlich grosse Themen aufwerfen und gleichzeitig dazu neue private Blickwinkel einnehmen zu können.
Nebst dem öffentlichen Aspekt ihres Werks strahlen die Arbeiten Maia Guspertis auch den persönlichen Prozess der Auseinandersetzung der Künstlerin mit den gewählten Inhalten aus: Sie hinterfragt dabei immer auch ihre beobachtende Rolle als Künstlerin einerseits, und als am Geschehen teilhabenden Menschen andererseits.
Natürlich war es meine Aufgabe als Jurymitglied, mich vor alle dem über das Schaffen Maias zu informieren. Da ich dies immer und gerne ganz persönlich mache, besuchte ich mit Zahai Bürgi die Künstlerin in ihrem Atelier 311 im Westflügel des Progr.
Nach einem kurzen Lebenslauf erfuhren wir auch einiges über Maias Werdegang zur konzeptuellen Foto- und Video-Künstlerin: Sie erinnert sich, dass sie als kleines Mädchen vom Vater die Faszination des Chlötzlibauens übernommen hat. Und ihren ersten Fotoapparat bekam sie von den Eltern geschenkt. Etwas später bekam sie von der Grossmutter einen Entwicklungsapparat , mit dem sie ihre Fotos auch beliebig „formatieren“ und vergrössern konnte. Ihre Familie war politisch interesiert und es wurde über aktuelle Themen und Poltik diskutiert und argumentiert. Das alles bildete bereits den Grundstock für ihr späteres künstlerisches Schaffen. Die Fotografie blieb ihr Medium und das Zusammensetzen/Auseinandernehmen von Bauteilen wurde Sinnbild dafür, wie die Welt in Krieg und Frieden funktioniert…
Ihre Ausbildung zur bildenden Künstlerin begann sie mit 16 Jahren in der Schule für Gestaltung in Biel, dann wählte sie erst einmal Wien zur zweiten Heimat, wo sie zuerst als Grafikerin arbeitete, und schliesslich Kunst studierte. Später verschlug es sie nach Kairo, wo einige ihrer wichtigen Werke entstanden sind. Und die Stadt wurde zu ihrer dritten Heimat, in der sie immer wieder einige Zeit verbrachte. Maia Gusberti ist nicht nur Europäerin, sie ist Weltenbürgerin geworden – und immer, wenn es für sie wieder einmal eng wird in Bern, muss sie wieder aus- und aufbrechen und neue Welten erfahren, Weltbilder zerlegen und wieder zusammensetzen…
Nach eingehender Diskussion hat die Jury einstimmig beschlossen, Maia Gusberti mit dem Frauenkunstpreis in der Höhe von CHF 10’000 auszuzeichnen.
DasPreisgeld kommt für sie in einem gelegenen Moment, hat sie sich doch für ein Postgraduate Programm ‚Critical Images‘ in Stockholm entschieden, bei dem Fragen der Würde, der Ethik der Bilder und der Bilderzeugung und Distribution, der Alternativen zum durch die Medien dominierten Bild, und das ‚Recht auf das eigene Bild‘ im Mittelpunkt stehen.
Ich gratuliere Maia zu diesem Preis!
An der Vernissage in der Galerie Beatrice Brunner:
Text und Bilder: Zahai Bürgi und Beatrice Lang
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